Auf schnellen Schwingen

Der Anblick hoch am Himmel kreisender Bussarde ist in Schleswig-Holstein keine Seltenheit. Auch Turmfalken, die wie kleine Hubschrauber auf der Suche nach Mäusen im so genannten Rüttelflug über Feldern und Wiesen auf der Stelle zu stehen scheinen, gehören zum gewohnten Anblick aufmerksamer Spaziergänger. Dies war nicht immer so. So bescherte das mit der Beute aufgenommene Pflanzenschutzmittel Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) den Greifen und Eulen in den sechziger und siebziger Jahren dünnschalige und unfruchtbare Eier. Die Folge waren drastische Bestandseinbrüche. Mit dem DDT-Verbot 1979 und einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber den schnellen Jägern, erholten sich seitdem die Bestände vieler Arten. Mit Aktionen, wie dem Schutzprogramm für die selten gewordenen Weihen, der Horstbewachung der Seeadler, der Auswilderung selten gewordener Wanderfalken oder der Wiedereinbürgerung der Uhus, griffen auch in Schleswig-Holstein Jäger und Falkner den Greifen unter die Schwingen. Doch nicht nur im Naturschutz haben die Jäger ein Auge auf die Könige der Luft geworfen. So ist die Beizjagd mit Greifvögeln ein Stück jagdlicher Tradition, das nicht nur hohe Blütezeiten erlebte, sondern auch heute noch lebendig gehalten wird. Die Ursprünge der Falknerei liegen dabei in vorgeschichtlichem Dunkel. Nomaden und Jäger in den weiten Steppen Asiens dürften zu den Ersten gezählt haben, die mit den gefiederten Jagdhelfern gemeinsam Beute machten. Um 400 v. Chr. gibt es in Indien erste Aufzeichnungen. Marco Polo berichtet über die prunkvolle Blüteform der Falknerei am Hof Dschingis-Khans. Das Buch des Hohenstaufenkaisers Friedrich des Zweiten, über die Kunst mit Vögeln zu jagen -„De arte venandi cum avibus“ – zeichnet für den hohen Stellenwert der Falknerei im Mittelalter. Heute ist es weder erforderlich ins Mittelalter zurückzureisen, noch die Strapazen der fast 8000 Kilometer lange Reise ins Land der mongolischen Steppenreiter auf sich zu nehmen, um den eindrucksvollen Vögeln zu begegnen. So kann es geschehen, das Spaziergängern in Schleswig-Holstein schlichtweg der Atem stehen bleibt, wenn sich am Rand einer Kieskuhle oder an einem Waldrand ein Steinadler in Luft schwingt. Gehören Habichte und Wanderfalken noch zum ganz normalen Anblick auf der Faust der Falkner, zählt der Anblick eines Steinadlers eher zu den seltenen Ausnahmen. Nur eine Hand voll Falkner, wie der Tierpfleger und Berufsfalkner Dietmar Damm aus Großenaspe, tragen einen Steinadler auch außerhalb von Flugvorführungen bei der Jagd. Über vier Kilogramm schwer, sitzt das junge Adlerweib auf seiner handschuhbewehrten Faust, von der es sich beim Start zum Jagdflug mit mächtigen Flügelschlägen abstößt. „Nein, bei einem Steinadler mit schlechter Laune würde auch der Falknerhandschuh keinen ausreichenden Schutz bieten“, erklärt Damm mit Blick auf die mächtigen Klauen, sprich Fänge des Vogels. Das Zusammenspiel zwischen Vogel und Falkner muss stimmen, meint der erfahrene Falkner, der seine Passion vor über zehn Jahren zum Beruf machte. Vertrauen, Gewöhnung und ständiges Üben, bilden die Grundlage für die sensible Gemeinschaft zwischen Vogel und Falkner – mit „Zwang oder Gewalt“ geht hier gar nichts, klärt Damm über die tägliche Arbeit mit den Vögeln auf. Ob er schon Vögel verloren hat? Ja. Mitunter komme es vor, dass der Ruf der Freiheit größer ist als die Bindung an den Menschen. Trotz des kleinen an den Schwanzfedern befestigten Senders sei dann mancher Vogel nicht wieder zu finden und spätestens, wenn die Batterie leer oder der Sender bei der Mauser der Federn abgefallen ist, bleibt dem Falkner nur die Erinnerung an den letzten gemeinsamen Flug.